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Zielbrille vs. Problembrille - der 9. Suchttag

9. Suchttag am St. Marien-Hospital Hamm
Zielbrille statt Problembrille

Der 9. Hammer Suchttag stand im Zeichen des Rückfalls: Hinfallen und Aufstehen oder Liegenbleiben und Verrecken, so das sehr zugespitzte Motto der Veranstaltung, die sich traditionsgemäß gleichermaßen an Betroffene, Fachleute, Angehörige und Interessierte richtet. Die Resonanz war größer als erwartet - ein Zeichen dafür, dass viele Menschen mehrere Anläufe benötigen, um von einem Suchtmittel loszukommen.

Auf dem Podium stand auch Markus Bahne, der sich selbst als „Aktivabstinenzler“ bezeichnet.  Markus Bahne möchte durch sein Beispiel Mut machen, den eigenen Weg aus der Sucht zu finden. „Trockener Alkoholiker – das klingt langweilig und negativ, macht den Leuten Angst“, sagt er. Er will dagegen setzen, dass sein Leben sich sehr positiv verändert hat, seit er gegen die Sucht angeht: „Es ist im Fluss“, beschreibt er es, und verwendet gerne weitere Bilder aus seinem früheren Beruf als Installateurmeister. 2008 erkannte er, dass es so nicht weiter geht. „Ich musste wieder in Bewegung kommen,  Möglichkeiten finden, den Druck abzubauen. Immer wieder hatte ich Probleme mit meinem hydraulischen Druckausgleich, also mit meiner Anpassung auf Belastungen.“ Nun hat er sich selbst viel Bewegung und Wassertrinken verordnet - das Ganze aber ohne Stress, sondern in seinem eigenen Tempo. Vor allem lernte er, sehr gut auf sich zu achten – Achtsamkeitsbasierte Rückfallprophylaxe heißt das Konzept.

Oberarzt Dr. med. Stefan Romberg begleitet Markus Bahne seit vielen Jahren. „Suchtprobleme sind bei Männern die häufigste Ursache für Krankenhauseinweisungen“, sagt er. „Die gesellschaftlichen Kosten betragen 40 Milliarden im Jahr – die Steuereinnahmen über die Sekt-, Bier- oder die Branntweinsteuer dagegen nur zwei Milliarden. Wein zum Beispiel wird überhaupt nicht sonderbesteuert.  Das Suchtmittel Alkohol wir immer noch verharmlost und ist allgegenwärtig“, prangert Romberg an.
Markus Bahne liebt Bewegung ohne Leistungsdruck: „Auf dem Stepper decke ich das Display mit dem Handtuch zu und höre lieber Musik“, berichtet er. Und stellt hinterher fest, dass er zwei Stunden trainiert hat.

Rückfälle vermeidet er, hört lieber auf seinen Körper, erkennt, was ihm gut tut: Bewegung, gutes Essen, angenehme Düfte zum Beispiel. „Ich gebe mir viel Mühe in allem, was ich tue, und ich lasse mich anleiten.“ Dr. Romberg arbeitet sehr individuell mit ihm zusammen, hat mit ihm Mittel entwickelt, die ihn bei hohem Suchtdruck helfen, nicht nachzugeben. Ansprechpartner gehören dazu, aber auch Gegenstände mit besonderer Bedeutung. „Der akute Druck, ein Suchtmittel zu benötigen, dauert nicht lange und ist endlich – ein paar Minuten, vielleicht eine Stunde. Die muss man überbrücken, dann geht es weiter.“ Suchterkrankungen sind chronisch, man braucht einen langen Atem.

Was können Angehörige tun? „Sie sollen eingebunden werden in das Gesamtkonzept, und zwar von den Profis“, findet Bahne. Er selbst hat sich ohne die Hilfe der Familie re-settet, wie er es nennt. Für andere Menschen kann die enge Zusammenarbeit der Freunde und der Familie mit den Therapeuten sehr hilfreich sein.

„Ich habe die „Zielbrille“ auf, kümmere mich vor allem darum, wo ich hin will, nicht wo ich her komme“, sagt Bahne. Mit der „Problembrille“, dem Blick auf Misserfolge und Hindernisse, kommt er nicht weiter: „Dann bin ich nicht im Fluss…“.  Mittlerweile arbeitet er als Nachhilfelehrer, was immer besser klappt, und plant einen Urlaub in Berlin. „Meine persönlichen Ziele will ich durch Alkohol nicht gefährden lassen!“

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