Oberarzt hilft in Syrien

Unfallchirurgischer Oberarzt des St. Marien-Hospitals hilft in Latakia Syrien

„Es war schon vor dem Erdbeben schwierig, aber jetzt ist es katastrophal, sagt Fadi Alaa Aldin, syrischstämmiger Oberarzt in der Klinik für Unfallchirurgie am St. Marien-Hospital. „Die Menschen in Syrien sind stark, aber die Situation jetzt…“  Am 6. Februar 2023 war Alaa Aldin im westsyrischen Küstenort  Latakia, verbrachte den Urlaub zuhause  bei seiner Familie. Er, seine Frau, die zwölfjährige Tochter und der siebzehnjährige Sohn schlafen in ihrer Wohnung in der 3.Etage, als um 4:20 Uhr morgens die Erde bebt – endlose 40 Sekunden lang. „Mein Bett schwankte – das ganze Haus – ich habe das noch nie erlebt.“ Als sie erkennen, dass es sich um ein Erdbeben handelt, laufen die Eltern  zu den Kindern und werfen sich über sie. „Ich war sicher, dass das Gebäude zerstört wird. Ich war sicher, dass wir sterben“, sagt Alaa Aldin. Doch das Haus hält stand, niemand wird verletzt. „Es gab kleine Nachbeben, eines etwas größer, und darum sind wir alle auf die Straße gerannt.“  Es ist dunkel, kalt und es regnet, alle Nachbarn stehen in Schlafkleidung draußen, bis um 7 Uhr die Sonne aufgeht. „Meine Kinder waren ganz ruhig, meine Frau auch, vielleicht, weil ich da war“, berichtet er.  Ihm geht durch den Kopf, dass er seinen Urlaub mehrmals nach vorne verschoben hat, und nun genau jetzt hier ist, am Beginn der Katastrophe, und helfen kann. Das soll wohl so sein.

Und er hilft: Er meldet sich bei Ärztekollegen, die ihn eigentlich in Hamm vermuten. Geht ins Tishreen University Hospital in Latakia und versorgt schwierige Wunden, amputiert Unterschenkel und Füße, rettet Leben. Das entspricht seiner Ausbildung, die er über ein Stipendium größtenteils in Frankfurt absolviert hat. Jetzt arbeitet er als Oberarzt im St. Marien-Hospital in Hamm, seine Familie ist jedoch weiterhin in Syrien verwurzelt: Seine Frau arbeitet als Psychologin mit Behinderten an einer Schule in Latakia, seine Kinder sind in der Schule und nehmen vor allem am kulturellen Leben in der Küstenstadt intensiv teil. Alaa Aldin verwendet sein Gehalt zunächst auf die Unterstützung seiner Familie mit dem Notwendigsten. Er zahlt sein Stipendium zurück und erwirbt im Sommer letzten Jahres die Wohnung für seine Familie: „Endlich weiß ich sie in Sicherheit, endlich kann ich ihnen ein gutes Leben ermöglichen.“  Und tatsächlich hat die Wohnung standgehalten.

Am 10. Februar, vier Tage nach dem Beben, ist sein Urlaub zu Ende. Er muss zurück nach Hamm und verbringt die rund 14-stündige Rückreise über Beirut mit dem Gefühl, etwas falsch zu machen. Schock und Trauer lähmen ihn, er schläft nicht, erlebt die Frühbesprechung am Montag wie ferngesteuert mit. Die Kollegen reagieren, Chefärztin Dr. Tanja Kostuj spricht mit ihm: Fadi Alaa Aldin kann wieder nach Syrien und helfen. Sie übernehmen seine Dienste, das St. Marien-Hospital sponsert  ihn mit Medikamenten im Wert von knapp 1000 Euro – die maximale Summe, die er nach den Zollbestimmungen mitnehmen darf. Keine Narkosemittel allerdings, das ist nicht erlaubt. Samstag geht es für zwei Wochen wieder nach Latakia. „Das wird nicht einfach. Die Katastrophe beginnt erst jetzt. Die Ausstattung der Klinik mit Medizingeräten ist gut, ich kann aber auch mit einfachen Instrumenten operieren.“  Nur fehlte es schon zuvor an Narkosemitteln: „Das wird nicht einfach.“ 

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