Februar 2023

Oberarzt hilft in Syrien

Das grauenvolle Erdbeben in der Türkei und in Syrien hat mehrere zehntausend Menschen das Leben gekostet und Unzählige in Verzweiflung gestürzt.Unser syrischstämmiger Oberarzt Fadi Alaa Aldin reist am 18.02.23 für zwei Wochen ins Krisengebiet, um Hilfe zu leisten. 

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Unfallchirurgischer Oberarzt des St. Marien-Hospitals hilft in Latakia Syrien

„Es war schon vor dem Erdbeben schwierig, aber jetzt ist es katastrophal, sagt Fadi Alaa Aldin, syrischstämmiger Oberarzt in der Klinik für Unfallchirurgie am St. Marien-Hospital. „Die Menschen in Syrien sind stark, aber die Situation jetzt…“  Am 6. Februar 2023 war Alaa Aldin im westsyrischen Küstenort  Latakia, verbrachte den Urlaub zuhause  bei seiner Familie. Er, seine Frau, die zwölfjährige Tochter und der siebzehnjährige Sohn schlafen in ihrer Wohnung in der 3.Etage, als um 4:20 Uhr morgens die Erde bebt – endlose 40 Sekunden lang. „Mein Bett schwankte – das ganze Haus – ich habe das noch nie erlebt.“ Als sie erkennen, dass es sich um ein Erdbeben handelt, laufen die Eltern  zu den Kindern und werfen sich über sie. „Ich war sicher, dass das Gebäude zerstört wird. Ich war sicher, dass wir sterben“, sagt Alaa Aldin. Doch das Haus hält stand, niemand wird verletzt. „Es gab kleine Nachbeben, eines etwas größer, und darum sind wir alle auf die Straße gerannt.“  Es ist dunkel, kalt und es regnet, alle Nachbarn stehen in Schlafkleidung draußen, bis um 7 Uhr die Sonne aufgeht. „Meine Kinder waren ganz ruhig, meine Frau auch, vielleicht, weil ich da war“, berichtet er.  Ihm geht durch den Kopf, dass er seinen Urlaub mehrmals nach vorne verschoben hat, und nun genau jetzt hier ist, am Beginn der Katastrophe, und helfen kann. Das soll wohl so sein.

Und er hilft: Er meldet sich bei Ärztekollegen, die ihn eigentlich in Hamm vermuten. Geht ins Tishreen University Hospital in Latakia und versorgt schwierige Wunden, amputiert Unterschenkel und Füße, rettet Leben. Das entspricht seiner Ausbildung, die er über ein Stipendium größtenteils in Frankfurt absolviert hat. Jetzt arbeitet er als Oberarzt im St. Marien-Hospital in Hamm, seine Familie ist jedoch weiterhin in Syrien verwurzelt: Seine Frau arbeitet als Psychologin mit Behinderten an einer Schule in Latakia, seine Kinder sind in der Schule und nehmen vor allem am kulturellen Leben in der Küstenstadt intensiv teil. Alaa Aldin verwendet sein Gehalt zunächst auf die Unterstützung seiner Familie mit dem Notwendigsten. Er zahlt sein Stipendium zurück und erwirbt im Sommer letzten Jahres die Wohnung für seine Familie: „Endlich weiß ich sie in Sicherheit, endlich kann ich ihnen ein gutes Leben ermöglichen.“  Und tatsächlich hat die Wohnung standgehalten.

Am 10. Februar, vier Tage nach dem Beben, ist sein Urlaub zu Ende. Er muss zurück nach Hamm und verbringt die rund 14-stündige Rückreise über Beirut mit dem Gefühl, etwas falsch zu machen. Schock und Trauer lähmen ihn, er schläft nicht, erlebt die Frühbesprechung am Montag wie ferngesteuert mit. Die Kollegen reagieren, Chefärztin Dr. Tanja Kostuj spricht mit ihm: Fadi Alaa Aldin kann wieder nach Syrien und helfen. Sie übernehmen seine Dienste, das St. Marien-Hospital sponsert  ihn mit Medikamenten im Wert von knapp 1000 Euro – die maximale Summe, die er nach den Zollbestimmungen mitnehmen darf. Keine Narkosemittel allerdings, das ist nicht erlaubt. Samstag geht es für zwei Wochen wieder nach Latakia. „Das wird nicht einfach. Die Katastrophe beginnt erst jetzt. Die Ausstattung der Klinik mit Medizingeräten ist gut, ich kann aber auch mit einfachen Instrumenten operieren.“  Nur fehlte es schon zuvor an Narkosemitteln: „Das wird nicht einfach.“ 

Eine ganze Station für die Ausbildung

Seit Anfang Februar 2023 gibt es im St. Marien-Hospital eine ganze Station, in der die stationäre Akutpflege ganzheitlich und verantwortlich geübt werden kann: die Azubi Point 21.

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Azubi Point 21 im St. Marien-Hospital für noch mehr Praxis in der Ausbildung

Mit viel Praxis in der Ausbildung hat das St. Marien-Hospital Hamm gute Erfahrungen gemacht: „Projekte wie ‚Schüler leiten eine Station‘ oder die ‚Lerninsel‘, für die wir Auszubildende in der Pflege tage- oder wochenweise aus dem stationären Alltag herausgenommen und intensiv geschult haben, verbessern die Leistungen enorm – da nehmen wir den großen Aufwand gerne in Kauf!“ sagt Dorothea Ramspott, die im St. Marien-Hospital für die pädagogische Koordination Pflege zuständig ist. Seit Anfang Februar 2023 gibt es im St. Marien-Hospital eine ganze Station, in der die stationäre Akutpflege ganzheitlich und verantwortlich geübt werden kann: die Azubi Point 21.

Normalerweise wechseln sich in der Pflegeausbildung Praxisphasen und Theoriephasen ab. Auch in der neuen generalistischen Ausbildung, an deren Ende die „Pflegefachfrauen/ Pflegefachmänner“ anstelle der „Gesundheits- und Krankenpfleger“ examiniert werden, hat sich daran nichts geändert. „Stationsalltag heißt aber oft: zugucken, mitlaufen, anreichen – meist ohne eigene Gestaltungsmöglichkeit“, erläutert Jessica Ilka, die am St. Marien-Hospital Pflegeentwicklung betreibt. Wenn das Examen bestanden ist, ändert sich das von einem Tag auf den anderen: volle Verantwortung für Patienten, Stations- Organisation und Dokumentation. „Wir finden: Das kann man üben!“ sagt Dorothea Ramspott.

Mit der Eröffnung der Station Azubi Point 21 hat das St. Marien-Hospital die Infrastruktur der Ausbildung auf ein neues Level gebracht: „Wir haben eine bestehende Station umstrukturiert und sie ganz neu geriatrisch-traumatologisch organisiert“, berichtet Praxisanleiterin Sarah Chmiela. Hier liegen bis zu zwölf Patientinnen und Patienten im höheren Lebensalter, die nach einem Sturz oder Unfall zum Beispiel Brüche an Becken- und Beinknochen davongetragen haben. Nach der Operation sollen sie wieder auf die Beine kommen.  Das ist oft langwierig, so dass die Patienten hier im Durchschnitt zwei bis drei Wochen bleiben und sehr persönlich betreut werden müssen, damit das gelingt. Auf der Azubi Point 21 sind neben der normalen Pflegebesetzung zusätzlich Praxisanleiterinnen und -anleiter eingesetzt, die wochentags bis zu sechs Auszubildenden begleiten. „Gerade alterstraumatologische Patienten freuen sich sehr über die intensive  Zuwendung“, weiß Jessica Ilka.

„Vor allem gestalten die Auszubildenden den gesamten Stationsalltag und die Pflegeprozesse mit“, erläutert Sarah Chmiela. „Dazu gehört auch die Begleitung der Visite und die Kommunikation mit anderen Berufsgruppen.“ Zusätzlich zur Versorgung der Patienten bekommen die Auszubildenden eine Rolle zugeteilt, zum Beispiel mit dem Fokus auf die Dokumentation  oder auf die aktivierend therapeutische Pflege. „Wir haben spezielle Praxisaufgaben erstellt, so dass die Auszubildenden ihr Wissen in diesen speziellen  Bereichen festigen können“, sagt Jessica Ilka. Die Arbeit der Auszubildenden wird beobachtet und sie erhalten stetig Rückmeldung.

Die Auszubildenden freuen sich auf eine optimale Lehrsituation: „Ich denke, hier sind Kolleginnen und Kollegen, die besonders hilfsbereit sind und meine Eigenständigkeit unterstützen“, sagt Alena Schäfer, die in der ersten Gruppe der Auszubildenden ist. Der Fokus liegt auf den Pflegeprozessen – für die Organisation wie Materialbestellung oder Dienstpläne ist eine erfahrene Stationsleiterin zuständig. „Dieses Konzept ist innovativ und wird nach unserer Kenntnis sonst nirgendwo so umgesetzt – da sind wir sehr stolz!“ sagt Dorothee Ramspott. Alle 4-6 Wochen kommen die Auszubildenden für eine weitere Woche zurück zur Azubi Point 21. Die Vorbereitung für die Examina ist damit optimal – zumal Fachleute mit Spezialwissen wie Wundmanagement oder Kinästhetik zusätzlich auf die Station kommen.

„Wir wollen, dass die jungen Menschen nicht nur gut durch das Examen kommen, sondern auch, dass sie die Freude am Pflegeberuf entwickeln können, die sie dann durch das ganze Berufsleben trägt“, sagt Sarah Chmiela. „Da muss man als Ausbildungsbetrieb das Feuer entfachen!“  

 

 

Viel Team ist nötig, um gut auszubilden: In der ersten Reihe sitzen hier die drei Auszubildenden aus der heutigen Frühschicht des Azubi Point 21(r: Alena Schäfer). Dahinter stehen Fachleute, die ihre Ausbildung didaktisch und praktisch begleiten. Das Ausbildungsziel ist eine Pflegefachkraft, die ihren Aufgaben gewachsen ist.